Sehenswerte Komödie
Beziehung auf Umwegen: die Netflix-Romanze „Faraway“
Goran Bogdan als Josip Cega und Naomi Krauss als Zeynep Altin in der Komödie „Faraway“.
Quelle: Netflix
„Faraway“ ist eine romantische Komödie über eine Frau um die 50, die dank eines geerbten Hauses in Kroatien vor ihrer anstrengenden Familie flüchtet. Tolle Hauptdarsteller und originelle Wendungen machen den Netflix-Film sehenswert.
Das Phänomen ist nicht zu übersehen und längst auch wissenschaftlich belegt: Mit Frauen über 50 kann das Fernsehen offenbar nicht viel anfangen, weshalb die entsprechenden Rollen meist klischeehaft ausfallen. Die Darstellungen schwanken zwischen überdrehtem Alt-Hippie und liebevoller Großmutter, dazwischen gibt es nicht viel; sexuelle Bedürfnisse werden meist ausgeblendet. Eine kürzlich gegründete Initiative will das ändern. Filme und Serien sollen reife Frauen endlich so zeigen, wie sie sind: „unabhängig, eigenwillig, im Aufbruch, verwirrt, wild und schön“ – und genau das passiert in „Faraway“.
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Jane Ainscough (Buch) und Vanessa Jopp (Regie), die mit der sehenswerten E-Mail-Romanze „Gut gegen Nordwind“ für eine der schönsten Kinoromanzen des Jahres 2019 gesorgt haben, erzählen mit „Faraway“ eine Beziehungskomödie, die sich ebenfalls auf Umwegen entwickelt: Nach dem Tod ihrer in Kroatien geborenen Mutter erfährt Zeynep (Naomi Krauss), dass die alte Frau vor vielen Jahren hinter dem Rücken ihres türkischen Gatten (Vedat Erincin) ein Haus in der einstigen Heimat gekauft hat. Zeyneps Ehe hat schon lange jeden Reiz verloren, und als ihr Mann Ilyas (Adnan Maral) die Beerdigung vergisst, weil er in seiner Münchner Restaurantküche mit der neuen jungen Köchin (Paula Schramm) poussiert, setzt sie sich kurzerhand ins Auto und fährt Richtung Balkan. Das Erbe hat zwar einen atemberaubend schönen Meerblick, entpuppt sich jedoch als uraltes Gemäuer mit einem gewissen Charme, aber ohne Strom. Außerdem ist es bewohnt: Ihre Mutter hat dem Vorbesitzer Josip (Goran Bogdan) ein Bleiberecht eingeräumt, das erst endet, wenn ihre Tochter das Haus übernimmt.
Hauptdarsteller tragen die Komödie
Die Konstellation erinnert an die beliebte ARD-Freitagsreihe „Zimmer mit Stall“, wenn auch mit einem wesentlichen Unterschied: Die Filme mit Aglaia Szyszkowitz und Friedrich von Thun als Zwangsnachbarn sind Komödien ohne sexuelle Untertöne. Das ist in „Faraway“ gänzlich anders, zumal die erste Begegnung zwischen Zeynep und Josip gleich im Bett stattfindet, wenn auch unfreiwillig. Sie will das Gebäude modernisieren und an Touristen vermieten, aber dafür muss sie den rund zehn Jahre jüngeren und etwas verwildert wirkenden Naturburschen loswerden – auf seine kroatischen Lebensweisheiten („Altes Huhn gibt gute Suppe“) kann sie sowieso verzichten.
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Doch je mehr Zeit sie in dem Haus verbringt, desto mehr blüht sie auf, und so verwandelt sich das anfangs etwas verhärmt wirkende Heimchen nach und nach in eine schöne Frau. Eine tolle Rolle für die Schweizerin Naomi Krauss, die sie inklusive Fettpölsterchen sehr uneitel verkörpert. Der Kroate Goran Bogdan ist ihr ein ebenbürtiger Partner.
Viele originelle Überraschungen
Natürlich ist „Faraway“ auch ein Urlaubsfilm, Kamerafrau Katharina Bühler sorgt für viele entsprechende Bilder. In dieser Hinsicht könnte die Produktion durchaus aus der ZDF-Reihe „Ein Sommer in …“ stammen, wenn auch ohne Nacktszene, die allerdings ziemlich lustig ist, weil überraschend Zeyneps Tochter Fia (Bahar Balci) auftaucht. Anders als noch vor einigen Jahren ist auch der Schluss kein Widerspruch zu den Filmen, die das Erste freitags oder das Zweite sonntags im „Herzkino“ zeigen. Selbst das Finale mit einer Rauferei fällt nicht aus dem Rahmen.
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Das eigentliche Thema des Films ist jedoch die Frage, wie man es schafft, sich wiederzufinden, wenn man sich verloren hat. Zwei Bilder sind es vor allem, die Zeyneps Verwandlung illustrieren: Erst reißt sie mit dem Vorschlaghammer eine Wand ein, damit mehr Licht ins Haus kommt, dann verbrennt Josip ihren figurformenden Liebestöter. Ihre Revanche lässt nicht lange auf sich warten, trifft allerdings den Falschen, und das ist nur eine von vielen originellen Überraschungen, die „Faraway“ neben der Geschichte und dem Ensemble zu einer gleichermaßen anspruchsvollen wie witzigen romantischen Komödie machen.
„Faraway“, Netflix, mit Naomi Krauss, Goran Bogdan, Adnan Maral, ab sofort streambar